Am Markt

Das Mehlpütt-Prinzip

Donnerstag war Mehlpütt-Tag. Ich weiß nicht warum, aber wenn es das Gericht bei uns zu Hause gab, dann garantiert an einem Donnerstag. Ich muss vielleicht ergänzen, dass ich aus Ostfriesland stamme und der Name Mehlpütt (ist plattdeutsch, daher wird es Mehlpüüt ausgesprochen) im Deutschen Mehlbeutel bedeutet. In Ostfriesland isst man ihn warm zum Mittag, am liebsten mit ebenfalls warmem Birnenkompott oder Vanillesauce. Der Name Mehlbeutel sagt viel über ihn. Er besteht aus einem einfachen Hefeteig, der im Tuch hängend über Wasserdampf gegart wird. Und was kommt dabei heraus? Eine Backware quasi ohne Kruste. Der Mehlpütt reiht sich damit ein in die Linie anderer Exemplare „mit ohne“ – wie der Germknödel aus Österreich, wie das Tramezzino aus Italien und, neu dabei, wie das Seniorenbrot aus Fulda.
„Das Seniorenbrot ist kein Toastbrot“, hält Prof. Dr. Joachim Schmitt fest, der bei der Entwicklung an der Hochschule Fulda federführend war. „Am Anfang stand die Erkenntnis“, sagt er, „dass in einem Seniorenwohnheim pro Jahr im Schnitt bis zu 2,8 Tonnen Brotkruste weggeworfen werden. Das muss doch auch anders gehen, dachten wir uns.“ Die ersten Versuche fanden in der Mikrowelle statt. Später habe ein Ofenbauer einen Ofen entwickelt, in dem das Brot mit besonders viel Dampf gebacken wird. Auch Partner wurden ins Boot geholt. Die Bäckerei Storch aus Fulda zum Beispiel, um die Praxistauglichkeit zu studieren und ein Seniorenwohnheim, um die Eignung aus Sicht der Adressaten prüfen zu lassen. Zweieinhalb Jahre und hunderte Backversuche später stimmten Rezeptur und Technik. |
Heute backt die Bäckerei Storch dieses Brot mit wenig Kruste und verkauft es lokal für 2,49 Euro pro 500 g. Altenheime gehören zur Kundschaft. Aber auch kleine Kinder bevorzugen das Mischbrot, das etwas feuchter ist als normales Brot und mit Kalzium, Magnesium und Ballaststoffen angereichert ist. Das unterscheidet es von anderen Seniorenbroten, denn ganz neu und einzigartig ist die Idee nicht. Auch die Dreistern Nahrungsmittel GmbH aus München beispielsweise bietet ein krustenloses Seniorenbrot an, in Scheiben, als TK-Ware für Großverbraucher.
Aus dem Projekt Seniorenbrot ist das Konzept Loewenbrot gewachsen und die gleichnamige GmbH (http://www.loewenbrot.de/), die Idee, Rezeptur und Technik Bäckereien in Lizenz anbietet. Prof. Schmitt sieht Potenzial – wegen der alternden Gesellschaft – und nimmt das nächste Projekt in Augenschein: Ein Lebensmittel für Demente, vielleicht eine neue Art Fingerfood.

Rezept:
Mehlpütt (auch Puffert genannt)
Zutaten: 30 g Hefe, 1 Teel. Zucker, 4 Essl. Milch, 800 g Mehl, 3 Eier, ½ l Milch, 1 Essl. Schmalz, 1 Prise Salz
Zubereitung: Die Hefe wird mit Zucker und 4 Essl. lauwarmer Milch verrührt. Man gibt das Mehl in eine Schüssel und vermengt die lauwarme Milch, Eier, Schmalz, Salz und Hefe miteinander. Der Teig muss tüchtig geschlagen werden und zum Aufgehen auf ein bemehltes Tuch oder eine Serviette gelegt werden. Wenn der Teig genügend aufgegangen ist, wird er lose mit dem Tuch unter einen Topfdeckel gebunden. In einem Topf wird Wasser zum Kochen gebracht, und darüber wird der Teig mit dem Deckel gegeben. Er darf aber nicht im Wasser hängen. Langsam muss er darin eine ¾ Stunde kochen. Man muss achtgeben, dass das Wasser nicht verkocht. Der Teig kann auch in einer Rodonkuchenform im Wasserbad zubereitet werden.
© Das Kochbuch aus Ostfriesland

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