Am Markt

Die Brotkumpels

Mit Corona kam der Hype ums Brotbacken zu Hause und für Lutz Geißler ein Schub an öffentlicher Aufmerksamkeit. Jetzt plant der Buchautor und Brot-Blogger seine eigene Bäckerei. In Zusammenarbeit mit Bäckermeisterin Christina Weiß entsteht das Projekt „Brotkumpels“.

Es geht um eine Kleinstbäckerei im Hamburger Stadtteil Sasel: Ein Kellerraum, 30 qm, ein elektrisch befeuerter Etagenofen Typ Infra von Wachtel, 9,6 qm Backfläche, eine Kühlzelle, ein Doppelarmkneter, ein Ausroller und eine Spülmaschine. Das wars.

Ausgelegt ist die Backstube für 200 bis 600 Produkte am Tag, maximal. Läuft alles nach Plan, backen Lutz Geißler und Christina Weiß hier ab Dezember ihre ersten Brote, Klein- und Feinbackwaren. Allerdings, die sehnsüchtig erwartete Genehmigung der Behörden steht noch aus.

„Brotkumpels“ soll eine Nahversorger-Bäckerei für die Region werden mit schmalem, wechselnden Sortiment, in der nur dann gebacken wird, wenn die zwei nicht gerade anderweitig verpflichtet sind, mit Präsenzbackkursen beispielsweise. Die Backstube soll sich an den Brotkumpels, ihren Arbeitszeiten und -möglichkeiten orientieren, nicht primär an den Kunden. Kernarbeitszeit ist von 8 bis 13 Uhr, drei bis vier Tagen die Woche, passend zum Familienleben. Hochgerechnet aufs Jahr wird die Bäckerei nur rund sechs Monate in Betrieb sein. Finanziert haben die Brotkumpels ihr Projekt durch eine Art Crowdfunding. Knapp 2 Wochen und die geplante Investition von 250.000 EUR war eingesammelt.

Lutz Geißler © Ulff Berger/Eugen Ulmer KG

Lutz Geißler © Ulff Berger/Eugen Ulmer KG

Eine eigene Bäckerei zu gründen, darüber hat Lutz Geißler schon meilenweit vor Corona nachgedacht. Als seine Backkurse pandemiebedingt ausfallen mussten, bekam die Idee, sich ein weiteres Standbein aufzubauen, neuen Schub. „Backstube und Kursangebot befruchten sich gegenseitig“, sagt er. „Wir gehen raus, lernen Neues und bringen die Erkenntnisse mit ein.“ Experimentelles Backen nennt er das und wenn die eine oder andere Backware mal schiefgeht, nimmt man das in Kauf.

Christina Weiß wird die Bäckerei führen. Ihr ist noch etwas anderes wichtig. „Wir wollen zeigen, dass man auch von einer ganz kleinen Bäckerei leben kann. Vier Hände, die das Brot von Anfang bis Ende begleiten, pflegen Achtsamkeit gegenüber dem Produkt. Wir nutzen Bio-Rohstoffe, ohne uns zertifizieren lassen zu wollen, bauen lange Teigführung ein und reagieren flexibel auf die Anforderungen, die uns der Teig stellt. Wir wollen uns vom Teig treiben lassen.“

Das Ganze hat natürlich seinen Preis. 6 EUR kalkulieren die Brotkumpels für 1 kg Brot. Dass handwerkliche High Quality ihren Markt hat, davon sind sie überzeugt. Der „Shop“ wird ein 12 qm großer schlichter Raum mit Tresen sein, nichts Repräsentatives.

ie Plötzblog-(Studio)-Backstube in Cranzahl im Erzgebirge

Die Plötzblog-(Studio)-Backstube in Cranzahl im Erzgebirge: Hier führt Lutz Geißler durch die Online-Backkurse © Ulff Berger/Eugen Ulmer KG

Brote aus dem Holzbackofen© Lutz Geißler, brotbacken.de

Brote aus dem Holzbackofen© Lutz Geißler, brotbacken.de

Warum sich die Leute fürs Brotbacken interessieren
Lutz Geißler ist Geologe und mit seinem Buch „Krume und Kruste“ Spiegel-Bestsellerautor 2020. Er organisiert Backkurse und erreicht mit seinem Plötzblog monatlich rund 300.000 Hobbybäcker im deutschsprachigen Raum. Allein im Pandemie-Jahr 2020 wuchs seine Community um 100 % (oder 150.000 Leser). Warum interessieren sich die Leute so stark fürs Brotbacken? Viele hatten offensichtlich schlicht Zeit, Brot zu backen, mutmaßt Geißler. Eine nicht repräsentative Umfrage unter Teilnehmern seiner Backkurse gibt ihm weitere Antworten. Die drei am häufigsten genannten Gründe:
1. Weil ich wissen will, was im Brot drin ist.
2. Weil ich gerne frisches Brot esse.
3. Weil ich kein gutes Brot kaufen kann.

 

 

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